Endlich auf die Wissenschaft hören
BvLB: Vielfalt des Hybridunterrichts zulassen / Erfahrungen der Beruflichen Schulen nutzen / Infektionsrisiken in Schulen reduzieren
Die Diskussion um den Wechsel zwischen den Unterrichts-Szenarien an Schulen wird von allen Seiten sehr leidenschaftlich geführt, wie auch heute erst wieder in Bayern, wo ab kommendem Mittwoch die Klassen ab der 8. Jahrgangsstufe geteilt werden sollen. Doch die Tatsache, dass die Schulen so lange wie möglich geöffnet bleiben sollen, eint alle an Bildung Beteiligten. Die Kultusminister haben Angst vor dem Wechselmodell. Die Berufsbildner wollen keinen abrupten Umstieg in das Wechselmodell oder den Distanzunterricht. Für sie heißt die Alternative zu A-, B- oder C-Szenario, ganz einfach ABC als Kombination. Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB) appelliert an die Kultusminister, die vielschichtigen Möglichkeiten des Hybridunterrichts nicht auf ein einziges Modell zu reduzieren und dies dann abzulehnen. „Wir sollten das gesamte Repertoire an Unterrichtsmöglichkeiten nutzen, um die fatalen Folgen des Infektionsgeschehens abzumildern. Höchste Priorität hat der Präsenzunterricht. Hybrid- und Distanzunterricht sind allerdings bei differenzierter Betrachtung von Schülergruppen und Bildungsgängen sehr sinnvolle Ergänzungen“, sagt Maiß.
Schulen sind keine Treiber der Pandemie. Ein Mantra, politisch verordnet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Die Wissenschaft sieht das anders: Prof. Alexander S. Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle, sagte gerade erst: Weltweit zeige sich, dass Jugendliche ganz starke Treiber der Pandemie seien und es an Schulen schwerste Ausbrüche gäbe. Seine Empfehlung: Weiterführende Schulen sofort auf Wechselunterricht umzustellen, um Klassenstärken zu halbieren und Abstandsregeln auch in der Schule einhalten zu können. „Die Ignoranz, mit der Schule vehement als sicherer Ort benannt wird, ist gesundheitsgefährdend für Lehrkräfte wie für Schülerinnen und Schüler der beruflichen Bildung und nicht zu verantworten“, sagt Eugen Straubinger, ebenfalls BvLB-Vorsitzender, und betont: „Die Politik setzt Hybridunterricht gleich Wechselunterricht und lehnt das kategorisch ab.“
Hybridunterricht heißt nicht zwangsläufig, dass die eine Hälfte der Schüler im Homeschooling ist, während die andere Hälfte in die Schule kommt. „Hier gibt es sehr differenzierte Modelle, die man jederzeit auf die lokalen Gegebenheiten anpassen kann. An beruflichen Schulen werden diese bereits teilweise erfolgreich praktiziert. Deshalb ist es notwendig, an dieser Stelle Planungssicherheit für die nächsten Monate zu haben und ab einem festgelegten Inzidenzwert, der laut RKI bei 50 liegen sollte, in den Hybridunterricht wechseln zu können“ sagt Maiß und schlägt vor, „sich erst einmal über die Begrifflichkeiten einig zu werden, um die Chancen darin zu sehen!“
Gegenwärtig jonglieren Wissenschaft und Politik mit zahlreichen, nicht klar definierten Begriffen wie asynchronem und synchronem Unterricht, Teilungs-, Wechsel- und Fernunterricht. „Jeder versteht etwas anderes darunter, was zu Irritationen und Verunsicherungen führt und dadurch das notwendige Handeln ausbleibt“, sagt Straubinger. „Hybridunterricht erlaubt, den Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht wie mit einem Regler passgenau auf die jeweilige Situation fein zu justieren. Die Berufsbildner haben hier in den letzten Monaten reichlich Erfahrungen gesammelt, die genutzt und bedarfsgerecht weiterentwickelt gehören, um auch nach der Pandemie zukunftsweisend unterrichten zu können“, sagt Maiß und betont: „entscheidend dabei ist, dass die Lehrkräfte nicht weiterhin permanent überlastet werden.“
Das Infektionsgeschehen ist trotz Teil-Lockdowns weiterhin auf einem alarmierend gleichbleibend hohem Niveau. „Um die Fallzahlen herunter zu bekommen, müssen wir alle mit vereinten Kräften voranschreiten. Dazu zählt auch, das Infektionsgeschehen in den beruflichen Schulen unter Nutzung des gesamten Instrumentenkoffers zu reduzieren, was vor allem mit Abstandswahrung und kleineren Lerngruppen möglich ist“, sagt Straubinger.
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